Das zeigt, welch historische Dimension die Krise hat

Ein Bericht aus dem Schwarzwälder Bote zur Saison 2020

Nun ist es amtlich: Der Historische Verein Hornberg führt in der kommenden Saison auch nicht das traditionelle Volksschauspiel "Das Hornberger Schießen" auf. Das hat Thomas Bossert, Vorsitzender des Historischen Vereins, am Freitag bestätigt. Im Interview spricht er über die Gründe dafür.

Herr Bossert, was sind die Gründe für den Ausfall des Stücks?

In dem Stück gibt es eine Reihe von Szenen, die mit Sicherheitsabstand oder Maske nur schwer umsetzbar sind – zumindest kurzfristig und ohne ausgiebig zu proben.

Wie ist angesichts der Landesordnung derzeit überhaupt die rechtliche Situation für Freilufttheater?

Die aktuell gültige Rechtsverordnung wurde am 16. Mai beschlossen. In ihr rangieren Theater, unabhängig ob Innen oder Freiluft, gemeinsam mit Bars, Diskotheken oder Bolzplätzen unter der Rubrik "Verboten". Immerhin stellt der "Masterplan Kultur BW" in Aussicht, dass ab 1. Juni künstlerische Veranstaltungen mit bis zu 99 Beteiligten wieder möglich sein sollen. Allerdings sind derzeit Ansammlungen mit mehr als fünf Personen bis 5. Juni verboten. Damit wäre selbst auf unserer geräumigen Freilichtbühne der Probebetrieb mit sechs und mehr Personen illegal. Professionelle Ensembles hingegen dürfen seit 13. Mai wieder proben, natürlich unter den üblichen Vorsichtsmaßnahmen.

Was bedeutet der Ausfall des Hornberger Schießens, nachdem bereits die Stücke "Madagascar" und "Der nackte Wahnsinn" abgesagt wurden, für den Historischen Verein?

Viele unserer produktnahen Kosten sind variabel, können also reduziert werden. Dennoch reißen uns die virusbedingten Einschränkungen ein fünfstelliges Loch in unsere Finanzen. Hinzu kommt unsere Großinvestition in Form des behindertengerechten WCs. Mindestens so gravierend sind jedoch die Folgen für unser Vereinsleben. Viele Mitglieder und oftmals ganze Familien aus Hornberg und Umgebung verbringen nicht unwesentliche Teile des Frühlings und Sommers "im Storenwald". Da gibt es eine hohe emotionale Bindung an den Ort und die Menschen dort. Das ist wie Familie. All das fällt in diesem Jahr weg.

Seit wann wird das "Hornberger Schießen" aufgeführt und ist es seitdem überhaupt schon einmal ausgefalllen?

Das "Hornberger Schießen" wurde 1955 uraufgeführt. Seitdem sind immer wieder einzelne Vorstellungen wetterbedingt ausgefallen, jedoch nie eine komplette Saison. Das zeigt, welch historische Dimension die Krise hat.

Fällt die Freilichtbühnensaison 2020 nun komplett aus oder gibt es Ersatzveranstaltungen im kleineren Rahmen?

Es gibt viele Gründe, warum wir ein reduziertes Ersatzprogramm prüfen: für das Gefühl, gemeinsam im Storenwald doch etwas bewegen zu können, für die Theaterfreunde, für den Fremdenverkehr, für diejenigen, die in diesem Jahr den Urlaub daheim verbringen. Außerdem bekämen wir die Chance, das Loch in unseren Finanzen zu verkleinern. Vor allem aber auch, um das Agieren im Coronamodus zu testen. Denn das Virus wird wahrscheinlich auch 2021 noch nicht überwunden sein. Ob wir letztendlich etwas auf die Beine stellen dürfen, hängt von der weiteren Entwicklung ab. Unsere Hausaufgaben gegen einen Komplettausfall haben wir gemacht.

Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen und wie haben die Darsteller diese aufgenommen?

So eine Entscheidung trifft der Vorstand allenfalls formal. Obmann und Spielleiter Thomas Weißer hat unter Einbindung der Mitwirkenden in den vergangenen Wochen immer wieder die Optionen abgeklopft, musste zuletzt jedoch konstatieren, dass es derzeit einfach nicht geht. Allein an der Tatsache, dass wir so lange mit der Situation gerungen haben, ist zu ersehen, wie schwer allen die Absage unseres Traditionsstücks gefallen ist. Da gibt es niemanden, den das nicht schmerzt. Aber gerade die Tradition ist auch ein großer Trost: Schon Generationen von Darstellern vor uns haben das Stück gespielt, und Generationen nach uns werden es noch spielen. Sars-CoV-2 wird irgendwann überwunden sein. Dann wird das "Hornberger Schießen" noch immer gespielt werden.

Fragen: Lena Weimer/Schwarzwälder Bote